Birgit

Morgenandacht

Gemeinfrei via Pixabay / Neelam

Birgit
Morgenandacht von Ulrike Greim
31.01.2023 - 06:35
29.01.2023
Ulrike Greim

Mehr Informationen zur Aktion #WÄRMEWINTER finden Sie hier:  www.ekd.de/waermewinter

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Die Sendung zum Nachlesen: 

Und du so? Birgit überlegt, dann wiegt sie den Kopf und nickt vorsichtig. Alles gut, wie immer. Wir kommen ins Gespräch über das Leben an sich, die gerade aktuellen Aufreger und die Inflation. Die drückt sie hart. Ich weiß, sie hat nicht viel Geld. Nach herkömmlichen Maßstäben ist sie mausearm. Sie war zwar Geschäftsführerin, aber nur bei einer kleinen Firma. Und sie hat immer zurückgesteckt, damit der Laden läuft. Immer. Auch, als sie schon krank war. Da erst recht. Es hat lange gebraucht, bis sie es sich eingestanden hat, dass es so nicht mehr weitergeht. Und dann kam die Diagnose.  Eine harte Landung. Krankheit, ix Kliniken, eine erfolglose Reha. Nun: Erwerbsminderungsrente. Ein Prozentsatz ihres kärglichen früheren Gehaltes. Sie muss keinen Betrag nennen, es ist einfach klar: Es reicht hinten und vorne nicht.

Wir trinken einen Kaffee zusammen. Es dauert, dann redet sie doch einmal kurz über Geld. Und wie viel ihr zum Leben bleibt. Dass sie nicht sparen kann. Als neulich ein neues Küchengerät nötig war, wusste sie nicht, wie sie das bezahlen sollte. Sie hatte vorher für eine klitzekleine Investition in ihrer Wohnung alle Rücklagen drangeben müssen. Sie lebt von der Hand in den Mund. Kein Auto, keine großen Reisen, kein Luxus. Kleider sowieso second hand. Teure Medikamente: ab jetzt verzichtet sie darauf. Was nicht Kassenleistung ist, geht nicht.

Dann hat sie entschieden, dass es doch irgendwie auch für sie einen Spielraum geben muss. Sie hat beschlossen, dass sie ein paar Wochen lang von je 50 Euro leben wird. 50 Euro für sieben Tage, für Essen und Trinken und jeden weiteren Einkauf. Sie hat es durchgehalten. Wie ein Fasten. Sie erzählt es stolz. Birgit ist eine bewundernswerte Frau. Aber mir rutscht beim Zuhören das Herz in die Hose. 50 Euro pro Woche! Mir fehlt die Phantasie.

Jetzt lebt sie wieder von etwas mehr, sagt sie entspannt. Aber sie wollte halt auch einmal etwas sparen. Nicht wie das Kaninchen vor der Schlange Angst haben, wenn wieder einmal etwas Ungeplantes kommt. 

Erwerbsminderungsrente. Da lässt sich nichts machen? Sie hat es versucht. Hat an die hiesigen Bundestagsabgeordneten geschrieben, nur eine knappe Antwort erhalten. Da sei gerade nichts zu machen. 

Birgit ist eine modebewusste Frau. Nun näht sie selbst. Sie schaut gar nicht nach schöner Werbung. Und jetzt eine Inflation von neun oder zehn Prozent, bei Lebensmitteln zum Teil noch mehr, das steckt sie nicht mehr so einfach weg. Das schlägt einfach ins Kontor. Und als dann noch die Erhöhung der Energiekosten ins Haus geweht kommt, da sackt sie in sich zusammen.
Sie stellt reflexhaft die Heizung herunter. 16 Grad müssen reichen, und nur in der Küche. Alles andere bleibt kalt.
Ich fröstele nur vom Zuhören.

Dann erzählt sie, wie zwei frühere Kollegen ihr geschrieben haben. Sie hätten ja mit dem Gehalt obendrauf die 300 Euro Energiepauschale bekommen. Und dann von der Aktion Wärmewinter gehört, dass man das Geld doch spenden könne, wenn man es selbst nicht braucht. Sie fänden das eine prima Idee. Beide verdienen gut, sie brauchen kein zusätzliches Geld der Regierung für ihre Heizung. Im Brief an Birgit liegen 600 Euro. Und ein paar warme Sätze. „Du sollst nicht frieren müssen. Und auch sonst: Für alles, was teuer geworden ist.“ Ihr rollen die Tränen, als sie das erzählt. Sie knetet das Taschentuch. Solche Leute gibt es. Sie atmet tief durch.

Hashtag „Wärmewinter“. Sie hat es gegoogelt. Die Diakonie macht da viel. In ihrer Stadt sogar günstiges Essen bis Ende Februar – jeden Mittag in der Kirchgemeinde. So ist das offensichtlich auch, dass alle Erschütterungen eben auch Solidarität triggern. Menschlich sein, teilen, hingucken, wo was gebraucht wird. Das erwärmt nicht nur Birgits Wohnzimmer, das erwärmt auch ihr Herz.

Es gibt eben nicht nur schlechte Nachrichten. Die machen soziale Ungerechtigkeiten nicht wett. Aber sie zeigen, dass immer etwas geht, wenn alle mit anfassen – im Großen und im Kleinen.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Mehr Informationen zur Aktion #WÄRMEWINTER finden Sie hier:  www.ekd.de/waermewinter

29.01.2023
Ulrike Greim