Lebensachse

Wort zum Tage
Lebensachse
11.07.2015 - 06:23
23.06.2015
Pastor Olav Metz

Von meinem Architekturbüro bekam ich ihn vor kurzem als Werbegeschenk überreicht: Einen Kreisel. Früher war er als Spielzeug weit verbreitet; draußen auf der Straße wurde der Kreisel mit einer Peitsche in Schwung gehalten. Aber auch das einfache Handmodell meines Architekturbüros funktioniert ganz gut; man kann damit richtige Wettbewerbe veranstalten. Ein lustiges kleines Spielzeug.

 

Aber dieser Kreisel ist nun nicht nur ein Spielzeug. Er ist auch ein gutes Symbol für uns Menschen. Denn viele – so scheint mir – ähneln so einem Kreisel: Sie sind immer in Bewegung, sie rotieren, im wahrsten Sinne des Wortes. Solange sie so in Schwung sind, machen sie auch eine gute Figur. Und manchen Zögerern und Zauderern wünscht man zuweilen einen solchen Antrieb.

 

Doch diese Drehung um sich selbst hat auch ihre Kehrseite. Denn wer nur wie ein Kreisel um sich selbst rotiert, hat keine Ruhemöglichkeit mehr. Er muss rotieren, damit er nicht auf die Seite fällt und dann natürlich gar keine gute Figur mehr macht.

 

Es gibt Menschen, die deshalb jede Pause und jeden Moment der Ruhe und Besinnung zu vermeiden versuchen. Sie halten sich selber ständig in Schwung und auf Trapp. Aber was dabei herauskommt, ist oftmals ein unruhiges, ein eiliges, ein hektisches Leben. Und das ist aufs Ganze gesehen dann gar nicht mehr beeindruckend – und auch nicht gesund.

 

Damit das nicht geschieht, deshalb möchte ich mich in meinem Leben nicht wie ein Kreisel drehen, sondern wie ein Rad. Auch das Rad dreht sich ja und ist in Bewegung. Aber anders als der Kreisel dreht es sich nicht um sich selbst, sondern um eine Achse. Diese Achse gibt dem Rad die Richtung. Sie gibt ihm eine stabile Mitte und den Halt in den Zeiten, in denen es still steht. Ein Rad kann stillstehen und fällt trotzdem nicht um, weil seine Achse es fest hält.

 

Was könnte die Achse in meinem Leben sein? Was könnte die Mitte sein, die mich hält und mir Richtung gibt? – Es gibt einen alten Grundsatz des Mönchtums: ora et labora. Bete und arbeite. Ich glaube, was die Achse für das Rad ist, das ist für mein Leben und meine Arbeit das Gebet. Wenn ich bete, habe ich eine ruhende Mitte, um die mein Tun kreisen kann. Ich habe eine Mitte, die mir Richtung gibt und die mir erlaubt, auch mal Pause zu machen, ohne deshalb gleich auf die Seite zu fallen. Und ich muss deshalb nicht mehr krampfhaft rotieren nur um mich selber aufrecht zu halten. Ich werde vielmehr gehalten.

 

Ora et labora. Bete und arbeite. Damit du nicht nur um dich selber kreist, sondern eine feste Mitte hast, die dich hält und dir eine Richtung gibt.

23.06.2015
Pastor Olav Metz