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Was das Ressourcendilemma ist, weiß ich noch nicht sehr lange. Am Beispiel einer Kuhwiese lässt es sich erklären: Eine Wiese dient allen Bewohnern eines Dorfes als Weidegrund. Jeder Kuhbesitzer muss entscheiden, wie viele Kühe er auf der Wiese grasen lässt. Die Weide verträgt nur eine begrenzte Anzahl an Kühen. Wird sie zu sehr abgefressen, erholt sie sich nicht mehr. Und im nächsten Jahr wächst dann weniger Gras für weniger Kühe. Es wäre für alle besser, wenn jeder einzelne Kuhbesitzer nicht so viele Kühe wie möglich weiden lässt. Es entsteht ein Dilemma zwischen persönlichem Ertrag und dem, was für alle gut ist. Ein Ressourcendilemma. Sind die Kuhbesitzer zu gierig und vernachlässigen die Interessen der Gemeinschaft, wird es auch für sie in Zukunft weniger Ertrag geben.
„Vater, vergib die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet.“ Diese Bitte stammt aus der Versöhnungslitanei von Coventry, die ich jeden Freitag in der Turmruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin bete. Da gibt es weit und breit keine Kuhwiesen, aber den glitzernden Kurfürstendamm mit dem riesigen Kaufhaus des Westens als krönendem Abschluss. Die Bitte aus der Versöhnungslitanei bezieht sich auf eine der sieben sogenannten „Todsünden“: Auf die Völlerei oder - etwas weniger auf Essen und Trinken eingeschränkt - auf die Maßlosigkeit. Um Konsum geht es. Oder anders gesagt, darum, was es bedeutet, wenn man sich benimmt, als sei man der einzige Kuhbesitzer auf der Weide.
Maßloser und unbedachter Konsum nutzt die Arbeit anderer Menschen aus und verwüstet die Erde. „Vater, vergib die Besitzgier…“ Die Versöhnungslitanei stammt aus dem Jahr 1958. Heute, über 65 Jahre später, merke ich: Das waren prophetische Worte. Der Klimawandel macht es deutlich: Längst geht es um die Zukunft der nächsten Generation, der wir – im Bild gesprochen – abgefressene Weiden hinterlassen. Kurzfristigen Konsum und Genuss aufgeben, um langfristig auch den nächsten Generationen ein gutes Leben auf und von dieser Erde zu ermöglichen, daran scheitern wir bisher.
Ich spreche nicht gerne von Sünde, schon gar nicht von Todsünden. Aber ich fürchte, diese Art der Maßlosigkeit ist eine. Es beeindruckt mich zu sehen, wie sehr die Generation meiner Kinder auf Nachhaltigkeit achtet, sehr bewusst konsumiert. Und es schmerzt mich, dass sie sich dafür dann auch noch anhören muss, dass das alles nur der Lifestyle ihrer Generation sei. Ja, es ist ein Lebensstil – aber einer, bei dem die Wiesen für alle grün bleiben.
Es gilt das gesprochene Wort.