Schwangere Frauen im Baumarkt

Wort zum Tage
Schwangere Frauen im Baumarkt
23.04.2019 - 06:20
28.02.2019
Autorin des Textes: Kathrin Oxen
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Mit der Hoffnung ist es so eine Sache. Sie muss ja immer groß sein. Zu Ostern kommt sie gleich im XXL-Format. Auferstehung von den Toten, darunter machen wir es nicht. Aber Ostern ist schnell wieder vorbei. Ab heute verliert sich die Hoffnung von Ostern wieder im Alltag. Noch ein bisschen Ferien, reduzierte Ostereier – und dann?

Die Liedermacherin Dota Kehr hat mir das große Wort Hoffnung in Kleingeld gewechselt zurückgeben – kein Wunder, denn sie nennt sich selbst die „Kleingeldprinzessin“. Sie singt von schwangeren Frauen im Baumarkt. „Und jetzt weiß ich, wir müssen doch nicht untergeh’n / denn ich hab‘ schwangere Frauen im Baumarkt geseh’n.“

Ein Bild der Hoffnung, nach Ostern, mitten im Alltag. Gar nicht so weit weg von der schwangeren jungen Frau eines Zimmermanns, deren Geschichte wir alle Jahre wieder an Weihnachten erzählen. Und schon bei den Propheten des Alten Testaments, lange vor Maria und Joseph, war die schwangere junge Frau ein Hoffnungsbild.

„Wer trägt die Hoffnung in sich / wer hat die praktischen Ideen, / wer glaubt an die Zukunft und löst das Problem?“ singt Dota. Hoffnung, so alltäglich und praktisch – Dota hat mir Mut gemacht, an ganz normalen Tagen nach Hoffnungsbildern Ausschau zu halten. Und seitdem ich das übe, fallen sie mir immer mehr auf.

Morgens in der U-Bahn zum Beispiel: All die geduldigen Väter. Bestimmt sind die genauso müde wie ich und genauso angefochten von der Munterkeit der kleinen Menschen mit den bunten Schultaschen, die sie morgens früh zur Schule bringen müssen. Ich denke an all die Familien, in denen Kinder aufwachsen. Bei allem, was herausfordernd und anstrengend daran ist, bei allen Problemen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf: All diese Eltern bekommen es hin. Sie haben sich die Zukunft ins Haus geholt. Und sie wächst täglich heran.

Die U-Bahn ist überhaupt ein guter Ort, um Ausschau nach der Hoffnung zu halten. Alle glotzen auf ihre Handys, klar. Aber da ist auch ein Mädchen, ganz vertieft in ein Buch und ein junger Mann mit einem Geigenkasten auf dem Rücken. Niemand schaut sich an, stimmt. Aber da ist auch das frisch verliebte Paar, das sich heftig küsst und die beiden, die bestimmt schon sehr lange zusammen sind und sich sichtbar auf einen gemeinsamen Abend freuen. Es gibt oft so ein Gegenbild. Hoffnung in der U-Bahn klimpert wie Kleingeld in der Tasche. Mühsam herzuzählen, stimmt. Aber du kannst dir trotzdem etwas davon kaufen. Ja, klar, auch im Baumarkt.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

28.02.2019
Autorin des Textes: Kathrin Oxen