Wort zum Tage
Schweige und höre
03.08.2015 06:23

„Schweige und höre, neige deines Herzens Ohr. Suche den Frieden.“

 

Dieser schlichte Text, der mit einer genauso schlichten Melodie zusammengehört, begleitet mich seit Jahren. Er ist mein frommer Ohrwurm. Ich liebe besonders seine Verben. Schweige, höre, neige, suche. In dieser Reihenfolge bringen sie mich in eine innere Ordnung mitten in der Geschäftigkeit des Lebens.

 

Alles beginnt mit dem Schweigen. Das große Privileg derer, die die Gabe der Rede besitzen. In dieser Woche will ich seine Facetten und Ambivalenzen ausloten. Schweigen ist nicht leicht. Wer redet, führt das Wort, ist aktiv, erfährt sich als maßgebend. Schweigen kann als Schwäche erlebt werden. Doch es gibt nichts heilsameres, als die Stille. Wer schweigt betritt den inneren Raum, in dem Erfahrungen gespeichert sind. In dem aber auch die Fähigkeit schlummert, sich selbst zu beruhigen. Zu sich zu kommen, bei sich zu sein. Und in der vermeintlichen Schwäche stark zu werden. Denn nur wer schweigt, kann hören. Mir ist aufgefallen, dass ich ausgesprochen gerne Menschen anschaue, die zuhören. Bewusst und aktiv zuhören. Ich finde sie wunderschön. Auf ihrem Gesicht sieht man eine Offenheit, wie sonst nie. Die Hände ruhen, der ganze Körper ist gelöst. Ganz Ohr für etwas,  das noch nicht da war, ganz Ohr für das Unerhörte. In einem Konzert zum Beispiel. Oder in einem Gottesdienst.

 

Schweige und höre. In diesen schlichten Verben verbirgt sich das, was Gläubige aller Religionen üben, tagaus, tagein. Ich habe mich dem oft über mehrere Tage ausgesetzt in verschiedenen Klöstern und erlebt, was da alles passiert. Da tauchen neben den tiefen Glücksmomenten, am Leben zu sein, unter diesem Himmel und unter dieser Sonne, auch ganz andere Erfahrungen auf: Lebensängste, Schuldgefühle, Bilder, die ich mir mache von mir selbst und von meinen Lieben. Schweigen ist auch Arbeit, sich dem allem auszusetzen. Um zu erfahren: da ist noch etwas zu klären, oder das ist vorbei und du selbst bleibst. Du kannst neu beginnen.

Martin Luther hat diesen Übungen etwas Entscheidendes hinzugefügt: das Ohr zu Gott neigen. Er empfiehlt, aus dem Schweigen ins laute Lesen oder auswendig Sprechen von Bibeltexten zu kommen. Um schließlich zu erfahren, worum es überhaupt geht in diesen Übungen: Dass Gott mich besucht, dass ein Hauch seiner Wirklichkeit zu mir herüberweht. Dass ich Frieden finde, damit von mir Frieden ausgehe in dieser friedlosen Welt.