Turrell-Kapelle

Wort zum Tage
Turrell-Kapelle
26.11.2015 - 06:23
25.06.2015
Pfarrer Jörg Machel

James Turrell erzählt von sich, dass er als Junge „kleine Löcher in die seit dem Krieg gegen Japan eingebauten Verdunkelungen in seinem Zimmer im sonnendurchfluteten Los Angeles piekste und damit neue Sternkarten für sich erstellte – er schuf sich seinen eigenen Himmel, inklusive Milchstraße." Aus dem kleinen James ist ein großer Künstler geworden. Und Licht ist sein Thema geblieben. An vielen Orten auf diesem Planeten gibt es Lichtinstallationen von Turrell, die den Betrachter zu außergewöhnlicher Kunstwahrnehmung einladen. Eine Meditationsübung besteht darin, sich in einer sternenklaren Nacht auf den Rücken zu legen und so lange in den Himmel zu schauen, bis man meint, nicht mehr nach oben zu blicken, sondern nach unten. Man schwebt gewissermaßen über dem Himmel und schaut hinab auf die grandiose Schöpfung und in die unermessliche Tiefe des Universums. Ich denke, diese Übung würde James Turrell gefallen. Sie ist ganz simpel und doch von ungeheurer Wirkung. Genau So sollen seine Installationen auch sein: einfach und von großer Tiefe. Wie finde  ich meinen Ort zwischen Erde und Himmel? Wie nehme ich mich selbst und die Welt wahr? Was zentriert mich und was lenkt mich ab? Wie verhalten sich Raum und Zeit zueinander? Sein größtes Projekt hat James Turrell in der Wüste von Arizona geschaffen. In den siebziger Jahren hat er einen Stück Ödnis mit einem erloschenen Vulkan gekauft und ihn den Roden Crater genannt. Er hat ihn „in ein Licht-Observatorium verwandelt, das dem Betrachter erlauben soll, den Himmel und seine Phänomene, Licht, Sonne und Sterne in einer einzigartigen Weise zu erfahren.“ Es war wie ein kleines Wunder, dass sich dieser große Künstler dafür begeistern ließ, die Kapelle auf dem Berliner Dorotheenstädtischen Friedhof in einen Lichtraum zu verwandeln. Seit letztem Sommer kann man diesen magischen Raum  erkunden. Ich selbst habe diesen Lichtraum wie ein Raumschiff erlebt, mit dem man abhebt und die Erde hinter sich lässt. Durch den Platz, auf dem diese Kapelle steht, gibt es eine Verbindung zu allem, was diesen besonderen Ort ausmacht. Hegel und Fichte, Brecht und Eisler, Heiner Müller und Christa Wolf haben hier ihre Gräber, direkt vor der Tür. Entfernt man sich in dieser Lichtwelt von den Toten da draußen oder kommt man ihnen gerade näher, wenn man nach oben abhebt von der Bank in der Kapelle? Ein wunderbarer Experimentierraum ist da entstanden. Bei einem Berlinbesuch sollte man ihn sich anschauen.

 

25.06.2015
Pfarrer Jörg Machel