Mensch, ärgere dich nicht

Morgenandacht

Gemeinfrei via Pixabay / Lars Plöger

Mensch, ärgere dich nicht
Morgenandacht von Dagmar Köhring
11.10.2022 - 06:35
29.07.2022
Dagmar Köhring
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Das Lieblingsspiel meines Vaters ist „Mensch, ärgere dich nicht!“ Keine Ahnung, warum. Es ist ja ein reines Glücksspiel. Offenbar gefällt es ihm, dass man bei diesem Spiel auch mal jemanden vom Brett fegen darf – ja sogar muss – wenn die Würfelaugen es so wollen.

Ich dagegen finde, der Titel des Spiels ist ein Hohn. „Mensch, ärgere dich nicht.“ Ich habe mich schon als Kind dabei so geärgert, dass ich durchaus mal die Figuren vom Brett gefegt habe. Wenn der Würfel einfach nicht so fallen wollte, wie ich es brauchte. Wenn ich schon drei Runden mit der letzten Figur vor meinem Häuschen stand und dann noch rausgeworfen wurde. Dann dachte ich wirklich, das Schicksal habe sich gegen mich verschworen.

Und noch heute kann ich anhaltendes Würfelpech nur schlecht verkraften. Aber das wirft natürlich die Frage auf: Wie ist das denn mit dem „Glück“ und den Regeln? Alles Zufall? Oder gibt es da doch etwas oder jemanden, der das lenkt?

Dass Würfel einfach nur Würfel sind, konnten die Menschen noch nie wirklich glauben. Schon die Priester im alten Israel trugen zwei Würfel mit sich herum, die in zweifelhaften Fragen zum Einsatz kamen, und deren Ergebnis man als „Gottesurteil“ akzeptierte. Jeder Spielsüchtige, der am Würfeltisch sitzt, hofft, dass Gott oder Fortuna doch diesmal seinem Würfel noch einen kleinen Stups in die richtige Richtung geben möge. Ich persönlich glaube nicht, dass die Sache so funktioniert.

Nein, die Würfel fallen, wie sie eben fallen. Und immer wieder begegnen mir im Leben Gegebenheiten, Tatsachen, Menschen, die mich „rauswerfen“. Die kann ich nicht voraussehen und mir auch nicht aussuchen. Aber sie beeinflussen und bestimmen mein Leben. Es ist eine Kunst, damit angemessen umzugehen. Im „Mensch, ärgere dich nicht“-Spiel gibt es Regeln, die einzuhalten sind. Und auch in meinem Leben gibt es Spielregeln, wenn es friedlich zugehen soll. Die zehn Gebote zum Beispiel. Oder die Worte, die Jesus in der Bergpredigt sagt. Sie sind nicht dazu da, das Leben wunschgemäß zu beeinflussen, sondern sie wollen mir helfen, allem, was mir begegnet, mit Würde und Anstand zu begegnen. Manchmal kollidieren Interessen, ein anderer hat mehr Glück als ich. Manchmal stürze ich auch, werde zur Seite gedrängt. Dann gilt es, wieder aufzustehen, die Krone zu richten und neu anzufangen.

Der Apostel Paulus hat sein Leben mal mit einem Wettlauf verglichen. Er hat dabei eher an ein Stadion gedacht, aber ein Spielbrett passt auch sehr gut in dieses Bild mit seinen Höhen und Tiefen. Paulus ist bei seinem Wettlauf klar, dass er noch lange nicht „am Ziel“ ist. Er weiß, er ist nicht der Geduldigste, wenn er mal wieder „rausgeworfen“ wurde, wenn er angefeindet oder verhaftet wird oder auch nur an den eigenen Prinzipien scheitert, wenn er wieder aufstehen muss und neu anfangen, – aber er will sich davon nicht ablenken lassen. An die Gemeinde in Philippi schreibt er: „Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus.“
Dieser Blick nach vorn, der sich nicht von Misserfolgen und Versagen fesseln lässt, sondern auf das gesetzte Ziel gerichtet bleibt, der imponiert mir. Beim nächsten „Mensch-ärgere-Dich-nicht“-Spiel werde ich daran denken.
Denn das gehört für mich zum Kern meines christlichen Glaubens. Ich glaube nicht an einen Gott, der vor mir herzieht, alle Hindernisse aus dem Weg räumt und mir freie Bahn ins Ziel verschafft. Ich glaube an einen Gott, der mir zur Seite steht, der mir aufhilft, wenn ich falle, der mit mir zum Anfang zurückgeht und mit mir neu startet, immer wieder, egal, wie oft ich falle. Ich glaube an Jesus Christus, der mich nicht verlässt, bis ich ganz zu Hause bei Gott angekommen bin. Und an den heiligen Geist, der mir die Kraft gibt, bei all dem die Regeln einzuhalten, auch wenn ich manchmal am liebsten alle Figuren vom Brett fegen würde.

Es gilt das gesprochene Wort.

29.07.2022
Dagmar Köhring