Manche verstehen Behinderung als Strafe Gottes. Woher kommt dieses Denken?
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Woher kommst du? Bist du verheiratet? Hast du Kinder? Das sind Standardfragen, die man gestellt bekommt, wenn man durch Nepal reist. Oft verweilt das Gespräch bei den Kindern. Eltern reden gern über ihre Kinder, in Nepal genauso wie hier in Deutschland. Man ist stolz, man erzählt. Was aber, wenn es keine munteren Geschichten zu erzählen gibt? Wenn das Kind körperlich oder geistig behindert ist? Dann muss man Strategien entwickeln, wie man darüber spricht, oder man verschweigt die Behinderung. Menschen, die gelernt haben, Behinderung mit Schuld zu verbinden, reagieren schambesetzt. Die Beeinträchtigung des Kindes haftet als Makel an der Familie. Man schämt sich ihrer. Man hält sie im Hintergrund. In extremen Fällen werden sie weggesperrt, unsichtbar gemacht. In der Bibel kommt die Auseinandersetzung mit diesem Schuldkomplex vor. Jesus begegnet am Wegesrand einem jungen Mann, der blind geboren ist. (Johannes 9,1-7) Seine Jünger fragen Jesus: Wer hat gesündigt, er selber oder seine Eltern? Dass die Blindheit des Mannes eine Strafe Gottes ist, scheint außer Frage. So empfinden es die Eltern von Kindern mit Behinderung oft selber oder befürchten, dass es die Nachbarn so sehen könnten. Deshalb die Scham, deshalb das Versteckspiel. Jesus lässt sich nicht auf diese vergiftete Alternative ein. Er sagt: Der Mann ist blind, damit ich ihn heile und so die Gnade Gottes an ihm sichtbar wird. Mit Heilungswundern kann die Religion in unseren Zeiten nicht auftrumpfen. Aber sie kann helfen, die dummen Vorbehalte gegenüber Menschen mit Behinderung zu überwinden. So jedenfalls sehen es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Organisation in Nepal, die dortige Christen gegründet haben . Sie kümmern sich unter anderem um Kinder mit Behinderung. In Kathmandu unterhält diese Organisation eine Einrichtung für Kinder mit ganz unterschiedlichem Hilfebedarf und lässt ihnen die Förderung zukommen, die sie dringend brauchen. Darüber hinaus werden die Familien unterstützt, eine positive Einstellung zur Behinderung ihrer Kinder zu entwickeln, sie nicht als Schicksalsschlag oder gar als Strafe anzusehen, sondern sie als wertvoll wahrzunehmen. Auf dem Land ist dieses Engagement besonders wichtig. Das beginnt schon bei der Sprache, indem sie diese Menschen "Hoffnungs-Kinder" nennen. Gesegnet von Gott mit anderer Begabung, damit wir gemeinsam mit und ohne Behinderung unsere Menschlichkeit bewähren und entwickeln können.
Es gilt das gesprochene Wort.