"Polnischer Priester in Warschau entführt." Eine kurze Nachricht vor 40 Jahren. Dahinter eine große Geschichte von einem, der sich für Freiheit eingesetzt hat.
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Heute vor 40 Jahren ging eine Schlagzeile um die Welt: Polnischer Priester in Warschau entführt. Ich war damals 14 Jahre alt. Ich habe noch die geschockte Reaktion meiner Eltern vor Augen, als wir diese Nachricht über die Tagesschau auch in der DDR erfuhren. Der Entführte war der Priester Jerzy Popiełuszko. (1)
Ab 1980 setzte sich der junge Priester für die Gewerkschaft Solidarność ein. Solidarność war die erste unabhängige Gewerkschaft in einem sozialistischen Land. Zehn Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter traten ihr bei. Solidarność wurde schon wenige Monate später wieder verboten. Staatschef Jaruzelski verhängte auf Druck der Sowjets das Kriegsrecht. Die Grundrechte wurden außer Kraft gesetzt, Oppositionelle mit Gewalt verfolgt. Aus allen Landesteilen kamen Men-schen in die regierungskritischen "Messen für das Vaterland", die Pater Popiełuszkos in War-schau hielt. Er predigte: "Am Kreuz blutet unser Vaterland. In unserem Land werden die Rechte missachtet. Denn in Lagern und Gefängnissen sind Tausende eingesperrt."
Die polnische Staatssicherheit wusste, wie gefährlich diese Messen für sie waren. Es kam zu seltsamen Vorfällen: Unbekannte versuchten, Popiełuszko zu überfahren. Ein mit Sprengstoff umwickelter Ziegelstein schlug im Fenster ein. Aber Popiełuszko predigte weiter und ließ sich nicht mundtot machen.
Am 19. Oktober 1984 wurde er entführt. Eine Anhängerin erinnert sich: "Wir sind alle zur Kirche St. Stanisław Kostka gegangen, wo schon jede Menge Leute waren. Und dann sind wir nicht mehr von dort weggegangen." Elf Tage nach der Entführung wurde Pater Popiełuszkos ge-folterter, gefesselter Körper aus dem Stausee der Weichsel geborgen. Später wurde bekannt: Drei Offiziere des polnischen Geheimdienstes haben ihn ermordet. Popiełuszko wurde gerade einmal 37 Jahre alt.
Ohne so mutige Menschen wie Pater Popiełuszko hätte es den Zusammenbruch der Diktaturen in Osteuropa und die Überwindung der Spaltung Europas wohl nicht gegeben.
In diesem Jahr feiern wir 35 Jahre Friedliche Revolution in der damaligen DDR. Dazu gehört die Erinnerung an deren Vorkämpfer, die blutigen Opfer wie Pater Popiełuszko und die vielen anderen, die für ihre Überzeugung, für Freiheit und Demokratie starben.
Heute meinen viele in unserem Land und gerade auch in meinem Bundesland Brandenburg: Man könne ja nicht mehr seine Meinung sagen. Wir lebten ja bereits wieder in einer Diktatur, fast wie in der DDR.
Nun, dass sie diese ihre Meinung frei sagen, zeigt, dass es nicht so ist. Ein Pater Popiełuszko ist für seine freie Meinung von der Geheimpolizei ermordet worden. Das war Diktatur.
Demokratie ist nicht immer leicht, weil über vieles lang und intensiv debattiert wird. Ich sage: Gott się Dank! Ich bin glücklich, dass ich in einer Staatsform lebe, in der ich sagen kann, was ich denke. Danke dafür, Pater Popiełuszko.
Es gilt das gesprochene Wort.
Literaturangaben:
(1) https://www.tagesschau.de/jahresrueckblick/meldung-ts-1542.html