An Verstorbene denken ist kein bloßes Zurückschauen. Es lässt Menschen aufleben, die nicht mehr sind.
Sendung lesen:
Gestern war Ewigkeitssonntag. In vielen evangelischen Kirchen wurden die Namen der Verstorbenen des vergangenen Jahres verlesen. Kerzen brannten, es war still. Oft flossen Tränen.
Heute beginnt der Alltag wieder. Und doch klingt dieser Tag nach. Denn Erinnern lässt sich nicht terminieren. Es passiert einfach. Plötzlich ist da ein Geruch, ein Lied, ein Satz – und auf einmal ist sie wieder da: die Stimme meiner Mutter. Oder das Lachen des Freundes, der viel zu früh gestorben ist. Das Gesicht der Großmutter.
Erinnern ist mehr als bloßes Zurückdenken. Es ist ein inneres Berühren. Es lässt Menschen, die nicht mehr da sind, noch einmal aufleben – nicht körperlich, aber in mir. Und manchmal spüre ich: Das ist nicht nur ein Bild aus der Vergangenheit. Da bleibt etwas.
Doch was bleibt von einem Leben?
Nicht nur Besitz oder Fotos. Es sind oft kleine Dinge: eine Redewendung, eine bestimmte Haltung, ein geerbter Humor. Vielleicht ein Lied, das sie immer gesungen hat. Oder sein Mut, der mich bis heute stärkt.
In der Bibel gibt es einen Satz, der mich in solchen Momenten trägt. Im Buch Jesaja sagt Gott: "Ich habe dich bei deinem Namen gerufen – du bist mein."
Ursprünglich sagt Gott das zu seinem Volk. Aber ich höre es auch als Zuspruch für jede und jeden Einzelnen: Kein Mensch ist Gott je entglitten. Auch nicht im Tod. Wer gegangen ist, bleibt in Gottes Gedächtnis – nicht als blasse Erinnerung, sondern lebendig in seiner Ewigkeit. Ich hoffe das auch für mich selbst: Ich bin gesehen, erkannt. Gott ruft mich – mit meinem Namen, mit meinem Schmerz, mit meiner Erinnerung.
Erinnern kann wehtun. Und doch ist es ein Schatz. Denn es zeigt mir: Liebe stirbt nicht, nur weil ein Mensch gegangen ist. Die Liebe bleibt. In mir. In anderen. Und – ich glaube – auch bei Gott.
So nehme ich diesen Tag heute mit leisen Tönen. Ich denke an die Menschen, die mir fehlen. Ich spüre meiner Trauer nach, aber auch meiner Dankbarkeit. Und ich bitte Gott um Trost – und darum, dass ich bewahre, was mir geschenkt wurde: Ein Leben, das Spuren hinterlassen hat.
Denn was bleibt, ist mehr, als man oft sieht. Und was trägt, ist oft das, was unsichtbar ist: Liebe. Erinnerung. Hoffnung.
Es gilt das gesprochene Wort.
Feedback zur Sendung? Hier geht's zur Umfrage!