Muss ja

Wort zum Tage
Muss ja
07.02.2015 - 06:23
05.01.2015
Pfarrerin Kathrin Oxen

Wenn bei uns Wochenmarkt ist, gehe ich gerne in der Mittagspause dorthin. Dann hole ich mir eine Erbsensuppe aus der Gulaschkanone und setze mich an die Biertischgarnitur dahinter. Als Beilage zu meiner Suppe gibt es kostenlos die Gespräche, die ich beim Essen so mithöre. „Wie geht es denn?“ – „Muss ja“ ist oft dabei. „Wir werden alle nicht jünger“ höre ich auch oft, kein Wunder angesichts des Altersdurchschnitts der Wochenmarktbesucher. Die Ankündigung, dass man demnächst operiert werden muss, wird mit einem herzlichen „wird schon schiefgehen“ kommentiert, dem wiederum ein schicksalsergebenes „nützt ja nix“ folgt.

 

Sie halten sich alle tapfer, finde ich. Man sieht ihnen an, dass sie sich nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens aufhalten. Bescheidene Einkäufe im Beutel und die Portion Erbsensuppe zu 2,50€ ist für sie schon fast wie auswärts essen. Viele haben sich eingerichtet damit. Sie richten sich eigentlich mit allem ein. Und wenn sie mit dem Essen fertig sind, stehen sie ein bisschen mühsam auf von dieser Bank ohne Rückenlehne und gehen langsam zum Bus. Der bringt sie dann in ihr Neubauviertel, das mit ihnen alt geworden ist.

 

Der Theologe Hans-Martin Gutmann geht auch gerne auf den Wochenmarkt oder steht an der Supermarktkasse und hört sich an, was die Leute um ihn herum so reden. „Irgendwas ist immer“ heißt sein Buch, in dem er alle diese Sprüche und Wendungen gesammelt und interpretiert hat. Entdeckt hat er dabei eine Art „Alltagsreligion“. Sie hilft Menschen, ihr Leben zu bewältigen. Sie hilft vor allem dabei, das Leben so anzunehmen, wie es nun mal ist. „Kannste nichts machen“ und „nützt ja nix“ - solche und ähnliche Formulierungen sind so etwas wie die Glaubenssätze dieser Religion. Es gibt sie nicht nur bei den sogenannten „kleinen Leuten“, sondern überall. „Alternativlos“ – das ist nur eine andere Übersetzung dafür.

 

Hans-Martin Gutmann sagt auch: Diese Alltagsreligion hat mit dem christlichen Glauben nichts zu tun. Denn das Evangelium ist nichts anderes als ein andauernder Widerspruch gegen all das „kannste nichts machen“ unter uns. Die Sätze, Geschichten und Gleichnisse Jesu reden von einer anderen Welt, in der die Letzten die Ersten sind und nichts bleibt, wie es schon immer gewesen ist. „Blinde sehen und Lahme gehen und Armen wird das Evangelium verkündigt.“ Diese frohe Botschaft kam zuerst zu den kleinen Leuten. Und Jesus sagt zu ihnen: „Ich bin gekommen, damit ihr das Leben in Fülle habt“. Das ist mehr als ein Teller Erbsensuppe zu 2,50€.

05.01.2015
Pfarrerin Kathrin Oxen