Energie: Tanzen!

Morgenandacht

Gemeinfrei via unsplash / Andre Hunter

Energie: Tanzen!
Tanzen, bewusstes Körpergefühl und Freiheit
03.09.2022 - 06:35
11.06.2022
Angelika Obert
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Wenn ich heute Lust habe auf eine Wundergeschichte, brauche ich mir nur einen Action-Film anzugucken. Ich weiß, was mich erwartet: Alptraumhafte Bedrohungen, denen der Held oder die Heldin in letzter Minute wundersam entkommen werden. Nie kann ich ganz nachvollziehen, wie sie das eigentlich machen, mit all den feindlichen Gewehren, verriegelten Türen und explodierenden Sprengsätzen auf einmal fertig zu werden. Aber wenn der Verstand auch sagt: ‚Was für ein Quatsch’, so ist das Herz doch zufrieden: Wieder einmal aller Gefahr entronnen.

Früher, als die Menschen noch in Zelten wohnten, erzählten sie sich solche Geschichten am Lagerfeuer. Bei den Stämmen Israels hieß der Held Mose. Das ganze Volk sollte er aus der Unterdrückung befreien. Eine Lizenz zum Töten hatte Mose nicht, aber – was ja wirklich viel besser ist – immer wieder die Hilfe Gottes. Auch in jener unglaublichen Nacht, als das wehrlose Volk am Wasser lagerte und plötzlich die ägyptischen Streitwagen heranstürmten – 600 an der Zahl. Panik brach aus unter den Verfolgten, denn es gab keinen Fluchtweg. Doch Gott wies Mose an, seinen Stab zu heben über dem Wasser. Es teilte sich, so dass alle trockenen Fußes ans andere Ufer kamen. Den ägyptischen Streitwagen aber bescherte Gott Schlamm, so dass sie nur langsam vorankamen. Als sie endlich das Wasser erreichten, schlug es über ihnen zusammen – alle Streitwagen versanken im Meer.

So erzählte man es sich abends am Lagerfeuer. Und wenn die Geschichte zu Ende war, wurden die Trommeln gerührt. Die Männer begannen zu tanzen, vielleicht auch die Frauen und alle zusammen stimmten sie das Lied an, das zu dieser Geschichte gehörte: „Ich will dem Herrn singen, denn er hat eine herrliche Tat getan. Ross und Mann hat er ins Meer gestürzt. Der Herr ist meine Stärke und mein Lobgesang und ist mein Heil.“ Es wurde gestampft und gesungen, bis aller Tagesstaub aus den Gliedern geschüttelt war und die Frauen und Männer unterm Sternenhimmel wieder das Gefühl hatten, dass das Leben eine herrliche Sache ist und Gott sie auch morgen vor allem Übel bewahren wird.

Das Tanzlied der israelitischen Nomaden steht im 2. Buch Mose. (2. Mose 15, 1-21) Es gilt als einer der ältesten Texte in der Bibel überhaupt. Das finde ich bemerkenswert: Ein Befreiungstanz gehört zu den Keimzellen der Heiligen Schrift.

Es ist ja so naheliegend und wird doch oft vergessen: Wenn es um Freiheit geht, kann das Körpergefühl nicht außen vor bleiben. Die Bibel weiß das. Sie erzählt davon, wie versteinert die Israeliten waren, als die Ägypter nahten und wie entfesselt sie tanzten, als sie sich in Freiheit wussten.

Und ich stelle mir vor: Immer, wenn diese Geschichte am Lagerfeuer erzählt und gefeiert wurde, wenn die Leute trommelten, tanzten und sangen, lösten sich die Erstarrungen des Tages und sie fühlten sich wieder stark und frei. Das kenne ich ja auch: Besser als der Action-Film, der mir hilft, abzuschalten, ist die Musik, die mir in die Glieder fährt und die Träume weckt.

Darum setzt sich der 14-Jährige nach der Standpauke am Abendbrottisch schleunigst die Kopfhörer auf und taucht ab in seinen ganz speziellen Lieblingssound, der ihn den Frust vergessen lässt. Darum wirft die gestresste Lehrerin zu Hause gleich mal Spotify an und hottet zu den Klängen von Cold Play durch die Küche. Kleine Befreiungsakte im mühsamen Alltag.

Und wenn zur Samstagnacht für viele junge Leute das Tanzen im Club gehört, dann mag das ja auch immer noch mit diesem urbiblischen Befreiungserlebnis zu tun haben, das sich im Sonntagsgottesdienst eher nicht einstellt.

Musik – heißt es ja oft – ist eine Himmelsgabe. Das ist sie auch, weil sie die Glieder löst und die Freiheit schmecken lässt. Und darum – gerade jetzt, wo uns so viele Bedrohungen in den Knochen sitzen: Wie wär’s, immer mal wieder zu tanzen? Einfach so. Gott gönnt uns viel mehr Freiheit, als wir sie uns meistens nehmen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

11.06.2022
Angelika Obert