Engel in meinem Leben

Morgenandacht

Gemeinfrei via Unsplash/ Tim Mossholder

Engel in meinem Leben
Morgenandacht von Evamaria Bohle
14.02.2023 - 06:35
29.01.2023
Evamaria Bohle
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Gibt es Engel in meinem Leben?  Selbstverständlich. Beispielsweise in der Kirche, die ich regelmäßig aufsuche, gibt es Engel. Etwa um die vierzig. Ich verzähle mich immer wieder aufs Neue. Die Engel in meiner Kirche sind aus Stein und aus Gips. Sie schmücken Säulen, sie lächeln von Emporen, bewachen ernst die Kanzel, behüten die Kuppel hoch oben, unerreichbar. Einige haben Flügel, einige musizieren, die meisten sind einfach nur dekorativ. Warum auch nicht? Etwas schmücken zu wollen, ist ein Gegengift gegen Gleichgültigkeit. Das hat viel mit Hoffnung zu tun, glaube ich. Etwas schön zu finden, kann die Seele besser sättigen, als etwas für wahr zu halten.

Auch in meiner Wohnung gibt es Engel. Vereinzelt. Im Regal. Auf dem Küchentisch. In der Weihnachtskiste. Sie stehen herum. Flügelwesen aus Holz, aus Bronze, aus Papier. Massenware und „Handmade in Kenia“. Jeder von ihnen ein Unikat. Denn jeder trägt eigene Erinnerungen, verbindet mich mit Menschen, Ereignissen, Empfindungen. Jede Figur ist ein kleiner Bote. Ein Souvenir der Freundschaft. Ein Segenswunsch für mein Leben. Jede ein Reminder an die andere Welt, in der wir auch zuhause sind: Das Reich Gottes ist mitten unter euch, höre ich Christus. Und es sendet Boten. Auch als Kunsthandwerk.

Noch mehr Engel treten in Geschichten, in Liedern, in Gedichten, in Filmen in mein Leben. Sie warten in Texten, die ich auswendig dahersagen kann: „Ich ließ meinen Engel lange nicht los… er wurde klein, und ich wurde groß…“ (Rainer Maria Rilke)“ Oder: „Abends, wenn ich schlafen geh‘, 14 Engel um mich steh‘n“. Das sang ich als kleines Mädchen gern und forderte meine Mutter auf, das Bett etwas von der Wand zu rücken. Alle sollten Platz haben.

Mein Vater, ein Lehrer, war ein sehr glaubens- und kirchenkritischer Mann. Engel waren nicht so sein Ding. Bis zu einem Tag im Frühjahr 1984, als ihm Raphael begegnete. Ein Jugendlicher auf dem Schulhof, den er aus dem Unterricht nicht kannte. Vater wollte von ihm wissen, was sein Name bedeutet. Der Junge zuckte mit den Schultern. Es war vor Google und Co. Zuhause schlug mein Vater im Lexikon nach. Dann weinte er ein wenig. Raphael bedeutet „Gott heilt.“ Meine Mutter war damals lebensbedrohlich erkrankt, und mein Vater hatte eine Begegnung mit einem Engel. Der Junge war zu einem Boten geworden, so empfand er es: „Gott heilt“ war genau die Botschaft, die er damals brauchte.

Es gibt auch in meinem Leben ganz konkrete Engel. Menschen. Sie rufen an, sie kochen mir ein Essen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie mir den Horizont öffnen. Sie zeigen mir: Du bist nicht allein. Sie sind Botschaften von Gott, der Liebhaberin des Lebens: “Cara mia“, sagt sie, und lässt mich grüßen. „Fürchte dich nicht.“ Mit manchen von ihnen bin ich befreundet, andere betteln an der S-Bahn. Sie sehen mich nur an und erinnern daran, was wichtig ist. 

Einmal ist mir ein Engel im Traum erschienen. Ich war sehr verzweifelt damals. Er ging vor mit her und trug meine Seele eine enge Wendeltreppe hinauf. Sie war in guten Händen. Das wusste ich. Kurz war die Angst gebannt.

Natürlich gibt es Engel. Nicht alle, die mir begegnen, haben menschliche Gestalt: Manche blühen am Wegrand, andere sitzen hoch oben im Alleebaum und singen morgens früh gegen den Straßenverkehr an, sie wispern in der Natur, sie leuchten in Sonnenauf- und untergängen und machen Wolken mit Goldrand. Und dann ist da ein Engel mit vier Pfoten, der mir sein leises Lied vom Frieden in die Seele schnurrt.  - Ja, es gibt Engel in meinem Leben. Boten und Botinnen der Liebe Gottes, die überall erscheinen. Wenn ich sie sehe, öffnen sie mir die Seele.

Es gilt das gesprochene Wort.

29.01.2023
Evamaria Bohle