Ungesungener Trost

Wort zum Tage

Gemeinfrei via Unsplash/ Wes Hicks

Ungesungener Trost
mit Ulrike Greim
02.11.2021 - 06:20
15.09.2021
Ulrike Greim
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Das schmerzt, die wunderbare Sängerin mit dem glockenhellen Sopran jetzt zu sehen, wie sie Leuten Kaffee serviert. Sie hat das kleine Café übernommen. Lockdown sei’s geklagt.

Ja, ohne Kunst wird’s still, denke ich. Und mein Kaffee schmeckt nur halb so gut mit diesem Wissen. Was braucht es wirklich zum Leben und was nicht – das war die Frage, die der Lockdown dringend an uns gestellt hat. Und jetzt, wo das vorher gekannte Leben wieder anläuft, wenn auch schleppend, gilt es wieder. Wie viele Künstlerinnen und Künstler mussten auf andere Jobs ausweichen? Wie viel Trost bleibt ungesungen?

Karfreitag hatte ich sie noch gehört in einem Gottesdienst. Da durfte ja gesungen werden – in Kleinstbesetzung. „Also hat Gott die Welt geliebt“ von Melchior Franck. Wie sehr Gott die Welt liebt, kann man vermutlich nicht genug sagen, man muss es fühlen – am ehesten noch durch die Musik. Sie kommt in die Zellen und in die Verästelungen der Seele, die vom Wort nicht erreicht werden können.

Was braucht es zum Leben?

König Saul, in der Bibel, konnte sie sich leisten, die gute Musik. Und er hatte genug Leidensdruck. War es eine schwere Depression? Hatte er heftige Migräne? Jedenfalls ahnte er, was ihm hilft: Wenn jemand gute Musik macht. Er hatte wohl empfindsame Ohren und eine offene Seele. Und ihm wurde gesagt, dass es da einen gibt, der wunderbar Harfe spielt. Ein junger Mann aus einer einfachen Familie. Ein Hirt. Saul ließ nach ihm schicken. Der junge Mann habe Gnade gefunden vor seinen Ohren, ließ er ausrichten, er solle kommen und spielen. David kam an den Königshof. Wenn dann die Dämonen kamen und Saul plagten, dann musste David spielen. Ton für Ton, Harmonie für Harmonie, kam das Leben wieder in den Fluss und der böse Geist wich von ihm. Saul wurde erquickt, heißt es im ersten Samuelbuch.

Wie hatte sie so zart am Karfreitag noch gesungen? „Fürwahr, er trug unsere Krankheit“. Und in der Gemeinde kullerten damals Tränen. Ja, Jesus trägt Krankheiten, schwere Leiden, auch psychische. Er trägt sie – auch in den Begabungen aller, die heilen können. Mit ihren Händen, mit ihrem Wissen, mit Musik. „Fürwahr, er trug unsere Krankheit und nahm auf sie unsere Schmerzen.“ Sing diesen Trost, liebe Anna! Bleib nicht stumm!

Und ihr alle – Künstlerinnen und Künstler, die ihr still geworden seid: Gottes Wege sind seltsam verschlungen. Manchmal gibt es finstere Täler und Zwischenstationen. So auch bei David. Aber der wurde später Sauls Nachfolger, König von Israel.

Es gilt das gesprochene Wort.

15.09.2021
Ulrike Greim