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Himmel! Was für ein Film! Ich konnte phasenweise kaum atmen.
Es ist ein ganz normales Familienleben. Vater, Mutter, etliche Kinder. Immer auch noch andere Leute – sind das Gäste? Nein, wohl Angestellte, aber merkwürdig still und verhuscht. Mit denen wird kaum geredet. Oh – sind das Häftlinge?
Die Frau des Hauses – großartig gespielt von Sandra Hüller – führt mit einer gewissen Strenge, aber liebevoll gegenüber ihrem Mann Rudolf, gespielt von Christian Friedel. Rudolf Höß, Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz. Hautnah eingefangen in „The Zone of Interest“, der Film läuft zurzeit im Kino und ist letzte Woche mit einem Oscar als bester internationaler Film ausgezeichnet worden.
Von Anfang an ist es dieser Albdruck, der auf dem Haus liegt, grandios in Szene gesetzt allein durch eine Geräuschkulisse, die zunehmend beklemmender wirkt. Auch sie: oscarprämiert. Alles andere spielt allein in der Phantasie von mir – der Zuschauerin. Ich bin die Leinwand dieses Filmes, ich bin die Leinwand der Geschichte von Auschwitz.
Familie Höß wohnt direkt am Konzentrationslager, nur eine Mauer dazwischen. Hedwig Höß pflanzt Rosen daran, bringt ihren Garten zum Blühen und baut Gemüse an. Sie schafft sich ihr Paradies, in dem ihre Kinder gesund und stark werden sollen.
Höß erkennt viele Vögel an ihrem Rufen, liebt Pflanzen und befiehlt, sie sorgsam zu behandeln. Streift mit den Kindern durch die Natur, nur der Ascheregen stört. Asche aus diesen Schornsteinen von nebenan.
Der Albdruck ist das Entsetzliche. Da ist etwas, aber wir reden nicht darüber. Es wird immer deutlicher: Da ist etwas Monströses. Aber wir pflanzen Rosen, wir baden im Pool, wir haben Gäste, wir feiern Feste.
Die Kameraführung lässt mich mitten dabei sein. Ich kann nicht fliehen.
Diese Schizophrenie schmerzt bis ins tiefste Innere. Das Furchtbare ist hinter der Gartenmauer, die Schreie in der Nacht, die Schüsse. Die Erwachsenen wissen oder ahnen mindestens, worum es geht. Und die Kinder versuchen sich zu arrangieren, doch womit genau?
Das Drama der Kriegsgeneration, die den Albdruck von klein auf einatmet. Die Schizophrenie wird Teil des Lebens.
Der Film spielt bei mir, der Zuschauerin. Er wirft – wie ein Projektor – quasi dokumentarisch und damit unkommentiert die Szenen und Bilder auf mich. Und ich muss mich bewegen. Ich muss damit umgehen. Ich muss die Frage beantworten, wer ich sein will, ob ich hinschaue oder mich im Garten der Verdrängung einrichte.
Wer bist du?, fragt mich der Film. Und was ist mit denen auf der anderen Seite der Mauer? Wo bist du, Mensch?, fragt Gott auf den ersten Seiten der Bibel. Und wo ist dein Bruder? (1. Mose 3,9; 4,9) Wir werden üben müssen zu sprechen. Der Film ist ein Meisterwerk. Es lohnt, sich ihm auszusetzen.
Es gilt das gesprochene Wort.