Wider den Wismut-Stolz

Wort zum Tage
Wider den Wismut-Stolz
13.09.2019 - 06:20
13.06.2019
Ulrike Greim
Sendung zum Nachhören
Sendung zum Nachlesen

Nach wie vor ist er stolz. Wenn er so erzählt, da merkt man, was für ein großes Ding das für ihn war. Immer ganz, ganz leise auch mit der Frage im Hinterkopf, ob es wirklich richtig war. Das war einfach ein logischer Weg, sagt er. Er interessierte sich für Chemie, da kamen die Leute von der Wismut in die Schule und haben geworben. Mit einer soliden Ausbildung, mit einem Lehrlingsentgelt, dass deutlich über dem Schnitt lag, mit einer umfassenden Versorgung, die Wismut war Staat im Staate. Er sagte „ja“. Wurde Wismut-Kumpel. Wie so viele in seiner Region in Ostthüringen und Westsachsen. Die einen, die das Uran aus der Erde holten – über- und untertage. Die anderen, die es verarbeiteten, wie er. In einem aufwändigen chemischen Prozess und mit höchst giftigen Substanzen haben sie das Uran aus dem Gestein gelöst. Das Endprodukt, den Yellow Cake, das reine Uran, hat er nie zu Gesicht bekommen. Ohne darüber zornig zu sein. Das war eben so. Höchste Sicherheitsstufe. Das sahen nur die wenigen Spezialisten, und dann die Russen, die es abholten. Der Zug war immer streng bewacht. Spacibo, baschalista, gute Fahrt.

Aber hat es Sie nicht interessiert, was dann damit passiert, frage ich? Vielleicht hat man es gewusst, sagt er. Aber damit hat man sich nicht auseinandergesetzt.

Uran für russische Atombomben. Für das Wettrüsten. Aus der Erde geholt in einem beispiellosen Raubbau an der Natur. Mondlandschaften, verseuchte Seen, kontaminierte Halden. Es hat keine Rolle gespielt? Kann man einen solchen Job nur machen, wenn man abspaltet? Ausblendet? Wenn man sagt: Das hatten andere zu entscheiden? Mir scheint, er weiß es nicht. Und ich frage mich: Schützt Nichtwissen vor Verantwortung?

Es kam die Wende. Ein Glücksfall! Sein überaus maroder Betrieb, der eh keinen Absatz mehr fand für sein strahlendes Produkt, ging in die Knie. Neues Land, neue Chance: Er wurde Politiker. Übernahm Verantwortung. Konnte endlich etwas tun für seine Region. Aufbauen, Investoren holen, renovieren, bauen. Gestalten. Etliche seiner früheren Kumpel wurden Sanierungsexperten für Bergbaulandschaften. Das war die schönste Zeit, sagt er heute. Und ohne es auszusprechen: eine Arbeit mit Sinn zu machen. Selber denken zu können. Von Anfang bis Ende. Zu heilen.

So sind wir gemeint: als solche, die denken wollen von Anfang bis Ende. Die produktiv sein wollen. Etwas Gutes schaffen. Heilen. Nicht die Landschaft ausbeuten auf Teufel komm raus. Nicht den Supermächten die Waffen zuarbeiten, mit denen sie Schrecken verbreiten und sich wichtig fühlen. Sondern bebauen und bewahren, wie es der Schöpfer in der Schöpfung uns auftrug.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

13.06.2019
Ulrike Greim