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Frische Brötchen, selbst gebacken. Butter, selbst gemacht. Die Frau am Herd, der Mann mit den Kindern am Tisch. So stellen sich "Tradwifes" die Ordnung der Geschlechter vor. Wie reagieren auf diesen Social Media-Trend?
Tradwifes
Die angeblich gottgewollte Rolle der Frau
15.11.2025 06:20

Frische Brötchen, selbst gebacken. Butter, selbst gemacht. Die Frau am Herd, der Mann mit den Kindern am Tisch. So stellen sich "Tradwifes" die Ordnung der Geschlechter vor. Wie reagieren auf diesen Social Media-Trend?

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Die Brötchen für das gemütliche Frühstück heute hätte ich eigentlich selbst backen sollen. Es ist übrigens auch gar nicht so schwer, Butter selbst zu machen. Am besten geht das mit so einem altertümlichen Ding mit zwei Quirlen dran. Damit traktiert man die von der Rohmilch geschöpfte Sahne. Das dauert zwar eine Weile, aber die Zeit nehme ich mir. Denn ich gehe ja nicht die ganze Woche arbeiten, sondern ich bin zuhause und passe auf meine vielen Kinder auf. Ich lasse sie natürlich nicht fremdbetreuen, sondern erziehe und unterrichte sie selbst. Schließlich habe ich sie zusammen mit meinem Ehemann auch selbst gemacht. Meine Lieblingsbekleidung ist ein Kleid und eine Schürze über dem sehr oft schwangeren Bauch.

"Tradwifes", also vorgeblich traditionell lebende Hausfrauen, sind ein Trend in den sozialen Medien. Da ich natürlich in Wirklichkeit kein Tradwife bin, habe ich genügend freie Zeit, um mir ihr Tun ausführlich auf Instagram anzuschauen. Mit einer Mischung aus Unverständnis und Faszination sehe ich ihnen dabei zu, wie sie sich willig in die Rolle der Ehefrau und Mutter begeben und alles "from the scratch", also "vom Ursprung an" tun. Ambitionierte Tradwifes bauen Gemüse selbst an oder halten sich für die Milch und die Butter eine Kuh.

Und nicht wenige von ihnen meinen, damit einer natürlichen und von Gott gegebenen Ordnung der Geschlechter zu entsprechen. Vor allem in evangelikalen Kreisen ist dieses Denken verbreitet. In der Bibel lassen sich Aussagen finden, die das bestätigen. Etwa im Brief an die Epheser, in dem wörtlich steht: Die Frauen sollen ihren Männer untertan sein. Mit einem kleinen Unterschied: Die Tradwifes von Ephesus produzierten keine Social Media-Inhalte, mit denen sich, wenn es gut läuft, auch eine Menge Geld verdienen lässt.

Was ist das also mit den Tradwifes? Der Wunsch nach klarer Rollenverteilung statt dem ewigen Jonglieren mit Familie und Beruf gleichzeitig? Das Ende des Ideals einer gerechten Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern, die sowieso in den seltensten Fällen gelingt? Oder sogar ein antifeministischer Trend, der Frauen endlich wieder dorthin zurückbringen soll, wo sie hingehören, an den Herd?

Ich glaube, mit Argumenten wie dem Risiko einer Scheidung oder ihrer fehlenden Altersvorsorge bringt man kein Tradwife dazu, sich die Schürze abzubinden und ihre Kinder in die Kita zu bringen. Eher mit dem Eingeständnis, dass viele Menschen und besonders Frauen sich überfordert fühlen von dem Anspruch, alles gleichzeitig und alles perfekt zu sein.

Ich gehe arbeiten. Ich habe viele Kinder. Ich habe sogar eine Schürze. Aber die Butter ist aus dem Kühlregal und die Brötchen sind vom Bäcker. Und nur die Marmelade fürs Frühstück, die habe ich selbst gekocht. Bei mir ist alles gleichzeitig. Aber nichts perfekt.

Es gilt das gesprochene Wort.

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