Wie bei einem Bier

Wort zum Tage
Wie bei einem Bier
15.06.2021 - 06:20
10.06.2021
Florian Ihsen
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„Ich halte es nicht mehr aus, wenn ihr sprecht. Die Kirche verreckt an ihrer Sprache“. Das lese ich in einem Buch von Erik Flügge. Er ist Berater für Firmen und Politiker:innen und auch in den Kirchen unterwegs. Man merkt, Erik Flügge ist richtig ärgerlich darüber, wie in Kir-chen oft gesprochen wird: Betulich oder Gefühlig. Formelhaft. Schlecht vorbereitet. Häufig mies vorgetragen und falsch betont. 
Flügges Vorschlag: Sprecht doch über Gott, wie ihr bei einem Bier sprecht. 
Die Idee gefällt mir: von Gott sprechen wie bei einem Bier. Klar. Von Gott sprechen heißt dann zuerst: Gespräch - zusammensitzen, erzählen, zuhören, nachfragen.
Und wovon sprechen, wenn ich von Gott sprechen will? Wer ist dieses Ich, das da spricht, überhaupt?  Weiß ich das so genau? Also am besten: erstmal davon erzählen, wer ich bin, wo-her ich komme, von meinen Eltern, von Familie und Freunden. Vom Lebensmenschen, den Kindern oder den Visionen vom eigenen Leben. Von den Orten, an denen ich gelebt habe. Von Arbeitsplätzen und Jobs. Was ich in meiner Freizeit gerne mache. Und auch von den Krisen in meinem Leben und von dem Glück, das ich schon erfahren habe. 
Wenn ich so von mir erzähle, staune ich oft: Wie sich eins zum anderen fügt. Wie die kleinen Geschichten meines Lebens in einer größeren zusammen passen. Als ob da ein roter Faden ist. Ein Plan. Ein Skript in meinem Leben. 
Je länger ich mich mit anderen über unsere Lebenswege unterhalte, umso persönlicher und intimer wird es. Und irgendwann ist wie von selbst das Thema im Raum: Was hält dein Leben im Innersten zusammen? Wie hältst du es mit der Religion? Was mir meine Taufe bedeutet, die Konfirmation, meine Kirche… und was Religion für mich heute nicht mehr bedeutet. Und damit bin ich bei dem großen Wort „Gott“. Gott, wie ich ihn erfahren habe in meiner Le-bensgeschichte. Der erste Ort, an dem ich Spuren des Ewigen entdecken kann, ist mein persönliches Leben. „Biographie ist Theologie und umgekehrt“, sagt der Theologe Klaus Berger. Meine Biographie, meine Lebensgeschichte ist ein guter und wichtiger Stoff für mein Reden von Gott. Von Gott sprechen heißt dann: Vom eigenen Leben erzählen, in dem sich Spuren Gottes entdecken lassen. Das ist etwas sehr Persönliches und oft auch Intimes. Und Intimes erzähle ich den Menschen meines Vertrauens gern bei einem Wein oder Kaffee, bei einem Bier oder Tee. Und auch in der Kirche möchte ich persönlich sprechen und andere so sprechen hö-ren.
 

Es gilt das gesprochene Wort.

10.06.2021
Florian Ihsen