"Der hat mehr… Die hat es weiter gebracht als du", flüstert der Neid ins Herz. Aus gutem Grund zählt der Neid zu den Todsünden. Denn er vergiftet Beziehungen.
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Reden wir über Sünde. Zum Beispiel über: Neid. Die mittelalterliche Theologie hat den Neid zu den sieben Todsünden gezählt. Der Begriff ist diffus gefasst, manche sprechen lieber von Hauptsünden statt von Todsünden. Oder noch milder: vom Laster. Ich finde, Laster ist eine gefährliche Verharmlosung, auch wenn ich nicht an das Fegefeuer glaube. Denn Todsünden haben tatsächlich tödliches Potential. Das gilt auch für den Neid.
Dass Neid tödliche Folgen haben kann, erzählt die Bibel gleich auf den ersten Seiten. Der erste Mensch, Adam, ist neidisch auf Gott, der als einziger im Paradies alles darf. Adam darf viel. Doch nur fast alles. Da steht jemandem das Paradies offen, köstlichste Früchte auf allen Bäumen und Sträuchern, aber der Mensch ist neidisch auf seinen Schöpfer und will sein wie er. Genaugenommen ist es die Sünde Neid, die den Menschen aus dem Paradies vertreibt, und nicht etwa die Sünde Unzucht, wie manche wegen der Sache mit der Nacktheit vermuten.
Kaum aus dem Paradies gefallen, wirkt Neid sofort tödlich. Der älteste Sohn des ersten Menschen bringt seinen Bruder um, weil er neidisch auf dessen Erfolg ist.
Neid macht, wie jede rechte Sünde, unfrei, in diesem speziellen Fall unfrei, das eigene Glück zu genießen. Neid ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit. Das ganze Paradies zur Verfügung haben und es nicht genießen können, dazu bringt uns der Neid. Und da Neid so eine uralte Sünde ist, fällt es schwer, sie zu überwinden. Selbst die Jünger Jesu waren neidisch und stritten, wer wohl im Himmel den ersten Platz bekommt.
Bis heute ist Neid ausgezeichnet in der Lage, Menschen aus dem Paradies zu vertreiben und manchmal auch zu töten.
Der neidische Blick auf Geschwister, Kollegen, Nachbarn, lässt die eigene gutversorgte Wirklichkeit wie hinter einem Grauschleier erscheinen. Die hat mehr als du, der hat mehr als wir, flüstert der Neid ins Herz und verdirbt so Leben und auch viele Familienbande. "Redet ihr noch miteinander oder habt ihr schon geerbt?" ist ein alter Spruch, der davon berichtet, wie ein Erbe, das doch dankbar und glücklich stimmen könnte, Menschen entzweien kann. Dann streiten sich erwachsene Menschen um den Besitz einer Teekanne. Manchmal mit tödlichen Konsequenzen, wenn einer die Existenz des anderen nicht mehr ertragen kann.
Das Gegenkonzept zu Neid haben die Kölner so auf den Punkt gebracht: Man muss auch "jönne könne". Das gehört zu den Geboten des sogenannten kölschen Grundgesetzes. Dem anderen etwas gönnen, sich mit ihm oder ihr freuen. Ich weiß, dass das sehr schwer ist. Es ist viel leichter, jemanden zu finden, der mitleidet, als jemanden, der sich neidlos mitfreut. Wer unter seinen Freundinnen und Freunden jemanden hat, der sich wirklich ehrlich und aus vollem Herzen über einen Erfolg mitfreuen mag, kann sich glücklich schätzen. So ein neidfreier Mensch ist ein Gottesgeschenk.
Auf einem Seminar hat mir jemand von seiner Tante Waltraut erzählt. Sie war so ein kostbarer Mensch, der gönnen kann. Ihr Neffe hat sie immer angerufen, wenn er seine Freude und sein Glück mit jemandem teilen wollte. Tante Waltraut war jedes Mal begeistert. Sie fand: Geteilte Freude ist doppelte Freude. Leider ist Tante Waltraut inzwischen gestorben. Er vermisst sie bis heute.
Wenn Sie einen neidfreien Menschen wie Tante Waltraut zur Freundin und zum Freund haben – freuen Sie sich darüber! Sagen Sie ihm oder ihr auch gerne, wie kostbar und lieb er oder sie Ihnen ist.
Übrigens: Ich gönne Ihnen Ihre "Tante Waltraut" von Herzen!
Es gilt das gesprochene Wort.
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