Wort zum Tage
Doch
24.12.2015 05:23

Seit vielen Jahren begleitet mich in der Adventszeit der Kalender „Der Andere Advent“. Viele Texte und Geschichten daraus sind mir wichtig geworden. Aber es gibt eine Geschichte, die meine allerliebste ist.

Sie erzählt von einem Krippenspiel, bei dem der kleine Bruder eines der Hauptdarsteller die überschaubare Nebenrolle des bösen Wirts übernehmen soll. Tim hat keine andere Aufgabe, als Maria und Joseph wegzuschicken. Sein Text besteht in einem einzigen Wort: „Nein“ soll er auf die Frage antworten, ob noch ein Platz in der Herberge frei sei. Bei den Proben geht alles noch glatt, aber bei der ersten Aufführung antwortet Tim statt mit „nein“ mit „ja, gerne“. Seine Begründung: Joseph habe so eine traurige Stimme gehabt und bei ihm zuhause hätten sie auch immer Platz für alle, zur Not auf einer Luftmatratze.

Irgendwie geht das Krippenspiel dann trotzdem weiter. Danach macht man Tim klar, dass es so nicht geht. Er verspricht hoch und heilig, bei der nächsten Aufführung ganz bestimmt mit „nein“ zu antworten. Aber als Joseph dann beim nächsten Mal fragt „Hier ist wohl kein Zimmer frei?“ kommt nach einer längeren Pause ein einziges Wort von Tim: „Doch“.

Dieses „Doch“ ist mein Weihnachtswort für dieses Jahr. Wenn heute Nachmittag in im Gottesdienst in allen Kirchen ein Krippenspiel aufgeführt oder die Weihnachtsgeschichte vorgelesen wird, dann wird es wohl niemanden geben, den diese Worte nicht berühren: „Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.“

Diese Geschichte kommt uns nahe wie selten, in diesem Jahr, in dem es viel um Unterbringung von Menschen ging, die als Flüchtlinge in unser Land gekommen sind. Kein Raum mehr in der Herberge, sagen die einen. Obergrenzen, Transitzonen, das sind neue Worte dafür, die wir vor einen Jahr noch gar nicht kannten. Aber zum Glück gibt es Tim und viele andere wie Tim. Die sagen einfach „doch“. Oft leise, aber unüberhörbar. Obwohl man ihnen gesagt hat, dass es so nicht geht. Obwohl man gute Gründe dafür aufzählen könnte. Menschen abweisen, das bringen sie einfach nicht übers Herz. Sie engagieren sich für ein gutes Miteinander von Flüchtlingen und Einheimischen. Sie sind gute Wirtinnen und Wirte. Sie sagen die Weihnachtsbotschaft weiter, vom Frieden auf Erden unter den Menschen, die Gott gefallen. Und sie brauchen nur ein einziges Wort dafür: „Doch“.