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Die Sendung zum Nachlesen:
Brüder sind etwas Großartiges. Gäbe es sie nicht, man müsste sie erfinden. Heute hat mein großer Bruder Geburtstag. Er ist immer für mich da. Auch wenn wir uns mal wochenlang nicht sehen.
Als ich mit schwerem Schwangerschaftserbrechen darniederlag und mein Mann für einen Studienaufenthalt im Ausland war, da hat er mich zu sich geholt. Er hat mit Engelsgeduld gefragt, welches Essen heute geht, ohne Brechreiz auszulösen. Ein Toastbrot? Nein, bloß nicht! Ein Ei? Keine Chance. Ein Kürbis-Süppchen? O weh – nein! Was dann? Ich glaube, rote Bohnen gehen gerade. Da ist er losgezogen und hat rote Bohnen gekauft.
Als das Schlimmste überstanden war, ist er mit mir die ersten Runden gelaufen. Ich noch ganz klapperig. Er ist ein wunderbarer Krankenpfleger. Klar, dass er der Patenonkel wurde.
Nach meiner Scheidung hat er mit mir im Möbelhaus gestanden und Küchen angeschaut, hat ausgemessen und verhandelt. Gewusst, wie lang die Küchenzeile sein darf, abzüglich der Heizung. So was muss man einberechnen. Und er weiß das. Er hat Lampen angeschraubt und Schränke aufgebaut. Ohne Klage. Hatte fast immer eine Idee, wie was gehen kann.
Als er einmal darniederlag, ein Lungenflügel war in sich zusammengefallen, da habe ich nur noch beten können. Gott, erhalte ihn mir. Bitte, mach ihn gesund. Ich habe seine Hand gehalten und gehofft, dass er nicht loslässt. Eine Welt ohne meinen großen Bruder – mag ich mir nicht vorstellen.
Als wir Kinder waren, fand ich das unterschiedlich gut. Er hat seine West-Schokolade nicht mit mir geteilt. Und mich öfter nicht mitspielen lassen, wenn er mit seinem Freund Peter zugange war, obwohl ich den sehr mochte. Große Brüder können auch ziemlich blöd sein. Von wegen – der große Beschützer! Er hat mir Gruselgeschichten erzählt, obwohl er wusste, dass ich mich fürchte.
Aber im Winter, wenn sein und mein Zimmer nicht zu beheizen waren und wir ins Esszimmer umziehen mussten, das war dann irgendwie sehr schön. Da kann man vor dem Einschlafen noch ein bisschen erzählen und kichern und träumen.
Wenn er in eine Scherbe getreten ist, habe ich den Schmerz in meinem Fuß gefühlt. Einmal beim samstäglichen Baden – das war wegen des geringen Wasserdrucks bei uns auf dem Dorf immer eine Prozedur – war der Badeschlauch gerissen. Das Wasser floss nur so durch das Bad. Unser Vater hat meinen großen Bruder ziemlich abgekanzelt. Und ich stand im Türrahmen und habe mich fürchterlich schuldig gefühlt und geschämt.
Dein Schmerz ist mein Schmerz, liebes Bruderherz. Als seine Ehe in die Brüche ging und sein Kind zu klein war, um irgendetwas zu verstehen, da habe ich versucht, für ihn und für seine Familie da zu sein, auch wenn mir oft elend zumute war vor lauter Ratlosigkeit.
Und dann wären da noch die vielen schönen Feste. Und dass er mühelos für viele Menschen kochen kann. Ich finde nach wie vor, er sollte ein Restaurant aufmachen, statt den ganzen Tag auf zwei große Bildschirme zu starren. Ich würde jedenfalls immer kommen.
Ich verstehe gut, was Jesus meint, wenn er uns Brüder und Schwestern nennt. Es ist ein Ehrentitel. Wir sind einander zugehörig. Wir hören einander zu. Wir sind unterschiedlich und manchmal unmöglich, wir sind zufällig zusammengewürfelte Menschen, die jetzt hier sind. Allesamt Kinder aus der DNA Gottes. Und es geht um die ganz basalen Dinge des Lebens: zusammen sein, sich helfen, wenn es eng wird, Lampen anschrauben, gutes Essen kochen, am Krankenhausbett die Hand halten, den Schmerz des anderen fühlen und abends einander ein bisschen erzählen, kichern und träumen.
Alles Gute zum Geburtstag, liebes Bruderherz!
Es gilt das gesprochene Wort.