Wort zum Tage
Mum‘s the Boss
03.02.2016 05:23

Ein winziges Baby mit Wollmütze. Es ist auf einem Handtuchstapel eingeschlafen, sein kleines Ärmchen hängt entspannt herunter. Oder Ein großes Pflaster. Ein Gummibärchen. Oder ein Teddybär. Jede Menge Köpfe, die sich anlehnen, Hände, die streicheln, Arme, die umfangen. Ein sehr niedliches Elefantenbaby, an seine Mutter geschmiegt.

 

Mein ästhetisches Zutrauen in die  Postkartenproduktion christlicher Verlage ist ohnehin nicht besonders ausgeprägt. Aber mit den Motiven zur Jahreslosung für dieses Jahr war meine persönliche Schmerzgrenze noch früher erreicht als sonst. „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“. Schon bei der Bekanntgabe dieser Losung war mir klar, was da alles in der kirchlichen Presse und an den Wänden von Gemeindehäusern auf mich zukommen wird. Und genau so ist es auch passiert. Die Mehrheit der Bilder macht es so: Beschützen, trösten, streicheln, halten, anschmiegen. Pflaster und Gummibärchen, wieder klein sein und zurück auf Mamas Schoß und in ihre Arme.

 

Der biblische Text der Jahreslosung aus dem Buch des Propheten Jesaja gibt solche Interpretationen eigentlich nicht her. „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“, heißt es im 66. Kapitel. Im hebräischen Text steht für „einen“ das Wort „isch“, „Mann“. „Wie einen Mann, den seine Mutter tröstet, so will ich euch trösten“ so haben es wörtlich die beiden jüdischen Exegeten Martin Buber und Franz Rosenzweig übersetzt. Das ist ein ganz anderes Bild für den Trost, der von Gott kommt. Diesen Trost brauchen nicht nur die Kleinen und Schwachen, sondern alle Menschen, auch die, die nach unseren gewohnten Rollenbildern besser die Starken markieren sollten.

 

Aber auch das Bild von Gott als Mutter wird mir auf all diesen Postkarten zu einseitig interpretiert. Wer Kinder hat, kennt doch auch die andere Erfahrung. Es ist keineswegs nur die Mama, die fürs Trösten und Streicheln zuständig ist. Die Rollen wechseln doch, gerade, wenn sich Väter in der Erziehung einbringen. Bei unserer Jüngsten zum Beispiel ist es ihr Papi, auf dessen Schoß sie sich rettet, während ich als Mama oft für die klaren Ansagen zuständig bin. Natürlich lässt sie sich auch von mir gerne trösten - aber schimpfen tue ich deutlich mehr als der Papi.

 

Zum Thema Mutter haben wir auch so eine Postkarte am Kühlschrank. „Home rules“ steht darauf, Regeln im Haus. Es gibt nur zwei. „Mom’s the boss“ lautet die erste. Und bei der zweiten steht. „Siehe 1.“

 

Das wäre doch mal eine Alternative zu Babys und niedlichen Elefantenbabys. Ein wichtiger Kommentar zur Jahreslosung. Gott als Mutter. Sie tröstet und versteht – und sie macht klare Ansagen.