Gott will im Dunkel wohnen

Morgenandacht
Gott will im Dunkel wohnen
11.12.2019 - 06:35
18.07.2019
Florian Ihsen
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Melancholie gehört zum Advent dazu, seit jeher. Melancholie – eine Klangfarbe der Seele, die leicht überhört oder verdrängt wird. Heute am 11. Dezember ist der 77. Todestag von Jochen Klepper, einem der bedeutendsten Dichter geistlicher Lieder. Ich kann mir keinen Advent ohne die Lieder von Jochen Klepper vorstellen. Vor allem ein Lied gehört für mich dazu: Die Nacht ist vorgedrungen.

Jochen Klepper, 1903 geboren, kommt aus gutbürgerlichen Verhältnissen. Es ist ein modernes aufgeschlossenes Elternhaus, in dem er aufwächst. Die Familie hat Geld, sie können sich Auto, Kamera und jährlichen Urlaub an der Ostsee leisten.

Früh zeigt sich: Der junge Jochen ist hochsensibel, er ist ein Sorgenkind, ist ängstlich, anders als die anderen Jungs. Für den Besuch des Gymnasiums ist er bei seinem Französischlehrer einquartiert, der ihm zum väterlichen Freund wird. Das Verhältnis zu seinem eigenen Vater war lebenslang nicht einfach und beschäftigt den jungen Jochen sehr. Jochen schreibt erste Gedichte. Schwärmt im romantischen Flair von Schatten im Mond, von Schmetterlingen und Nachtgesichtern.

Jochen studiert Theologie in Erlangen und Breslau. Man erinnert sich an seine Auffälligkeiten, schon als Student: stets mit Krawatte, sauber gebürstetem Anzug, Wappenring und parfümiertem Taschentuch, melodisch warme Stimme, warme, braune Augen.

Mit 22 Jahren gerät er in eine depressive Krise. Schuldgefühle plagen ihn. Erstmals setzt er sich mit der Frage des Selbstmords auseinander. Er hadert auch mit der Theologie und mit der Frage, ob er für das Pfarramt eigentlich berufen ist. Er ist sich des inneren Rufes nicht gewiss und verzichtet auf das Pfarramt. Mit seinen Gedichten hat er auf seine Weise gepredigt.

Die Schwermut, die Melancholie ziehen sich als Grundton durch viele seiner Gedichte und Lieder. Jochen Kleppers Advents- und Weihnachtslieder höre ich nicht auf dem Weihnachtsmarkt oder im fröhlichen Familiengottesdienst.

Die schwermütigen, melancholischen Teile der Seele gehören zum Mensch genauso wie in den Advent. Sie sagen: Diese Welt ist nicht alles. Da fehlt etwas. Da muss noch etwas kommen. Da muss noch jemand kommen.

Maranatha, komm Herr Jesus, so rufen und beten Christen in biblischer Zeit. Komm doch, Jesus. Du fehlst uns.

Jochen Klepper hat dieses Fehlen und Vermissen auch gespürt. „Die Nacht ist vorgedrungen“ ist sein Adventslied. Es macht Mut, dieses Melancholische, das Schwermütige, das Halbdunkle und Dunkle anzunehmen. Denn: Gott will genau dort wohnen, so dichtet Jochen Klepper, Gott will im Dunkel wohnen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

18.07.2019
Florian Ihsen